die Musen des bunten Herrn Wunderlich

Geschichtensammlung

  • 408 Wege dich zu lieben
  • Gottheiten zum Anfassen
  • bereit
  • verschieden
  • Nachbarland-Schwesterherz
  • es ist wie es ist
  • Sonnenschein
  • mehr als du denkst
  • alles in Butter

408 Wege dich zu lieben

für euch alle

Ich spüre es.

Wieder einmal. Meist bedeutet es, dass etwas seinen Anfang findet, aber manchmal ist auch ein Ende damit verbunden. Das ist furchtbar unfair, aber es ist auch wunderschön.

Ich habe gelernt, dass es viele Arten von Liebe gibt. Als ich das noch nicht wusste, gab es für mich nur dieses Verlangen, die unangefochtene Nummer Eins für eine einzige Person zu sein. Seelenverwandtschaft finden. Mit einer Partnerin eine Familie gründen. Zu zweit gegen den Rest der Welt sozusagen. Ohne jede Mühe und Sorge, keinerlei Geheimnisse, null Fehltritte, bedingungsloses Vertrauen, aber das gibt es nicht. Ich wollte etwas Perfektes – etwas, das nicht existiert.

Liebe ist vielseitig, das weiß ich jetzt. Ohne die Liebe meiner Eltern und meiner Geschwister hätte ich nicht überlebt. Auch die Hilfe vieler Freunde und einiger Fremder hat mich im Leben weitergebracht. Und ist denn das nicht Liebe, wenn man will, dass dem Gegenüber etwas Gutes passiert? Und sich wünscht, dass es uns an nichts mangelt? Dass wir alle dieses Leben genießen?

Und plötzlich geschieht es. Da ist dieser eine Moment, in dem ich weiß, was ich will.

Es ist wie ein schwarzes Loch, das mich verschlingt. Wie eine Welle, die über mich hereinbricht. Wie ein Feuer, das mich von innen verzehrt. Oder wie ein Spalt, der sich unter mir auftut. Es lässt mich wie einen Wahnsinnigen lachen, wie ein Kleinkind schreien. Es bringt mich dazu, mich hinzuwerfen und die Götter anzuflehen.

Du stehst vor mir und genießt das Leben, so wie ich es nie könnte.

Jetzt ist es eine gute Freundin, die vor mir steht. Wenn es eine liebevolle Frau wäre, hätte ich keine Wünsche mehr übrig. Und vielleicht, aber nur vielleicht, ist es möglich, dass einmal eine fröhliche Tochter an derselben Stelle steht.

Es ist egal, um welchen Menschen es sich dabei handelt. Egal, ob ich alles bekomme oder nur einen Teil davon. Ob es drei Personen sind oder fünf oder nur eine. Hauptsache, ich kann es spüren.

Und wenn ich dich umarme, dir beim Erzählen zuhöre, dir beim Arbeiten zusehe, an deinen Haaren rieche, deine Tränen schmecke, wenn ich einfach nur neben dir liege und im Begriff bin einzuschlafen, bin ich der glücklichste Mann der Welt.

Wenn du diese Person bist, liebe ich dich. Ich werde mit dir sprechen, dir helfen, dich beschützen, für dich sorgen, wenn du diese Person bist.

Ich will einfach nur, dass du dein Leben genießt. Und ich will ein wichtiger Teil davon sein.

Weil das Liebe ist.


Gottheiten zum Anfassen

für A.

Akt 1 – sich der Liebe hingeben

Sie ist die unglaublichste Frau, die ich jemals geliebt habe. Sie ist schön aber hässlich. Sie ist beruhigend aber aufregend. Sie ist zärtlich aber brutal. Sie ist liebevoll aber tödlich. Noch nie habe ich jemanden getroffen, der so gemächlich und doch so nachtragend ist. Ihre kaum in Worten zu beschreibende Güte wird bloß von ihrer Rachsucht übertroffen. In einer Hand hält sie ausgestreckt die wertvollsten Gaben, bloß um sie mit der anderen wieder zu entreißen. Sie ist müde von unseren Regeln, da ihr Gesetz das einzig wahre ist, und unser erfundener Glaube widert sie an. Sie ist Segen und Fluch zugleich, je nachdem, wie man sie behandelt. So wenig wie wir uns für sie ändern, ist auch sie nicht bereit, sich für uns zu ändern.

Akt 2 – keine Heilung für mich

Wenn sie mich bestraft, tut sie es kompromisslos. Sie weiß, dass ich nur lerne, wenn sie mir weh tut. Anders kann ich es nicht begreifen. Wenn sie mir schädliche Substanzen einflößt, werde ich krank. Wenn sie mich mit Farben und Tönen bombardiert, werde ich krank. Wenn ich auch nur einen einzigen Fehltritt mache, werde ich krank. Aber es ist schon in Ordnung so. Ich habe mich, alles Schlechte und Gute inklusive, selbst erschaffen. Und ich brauche keine Heilung, denn alles, was ich benötige, um wieder gesund zu werden, hat sie mir in die Wiege gelegt. Ich muss nur darauf zurückgreifen.

Akt 3 – ein vorübergehendes Vergnügen

Manchmal denke ich, dass wir es lieben, gefährlich zu leben. Kaum entdecken wir irgendetwas Neues, lässt uns unser Herz glauben, wir wären verliebt. Dabei wissen wir von Anfang an, was wir lieben. Und wir verändern uns ja auch nicht über Nacht, so etwas dauert. Wir sind ihrem Wahn verfallen. Als mir kalt war, lief ich hinaus und bewunderte ihre Schönheit, wie sie in allen Farben leuchtete. Ich genoss es, sie in den unterschiedlichen Gewändern zu beobachten. Dann ganz plötzlich warf sie ihre Kleidung davon und war nackt. Und wieder wurde mir die Wärme genommen. Ein endloser Kreis, und ich bin süchtig danach. Liefe ich davon, würde sie mir folgen und mich einholen. Es gibt also gar kein Entkommen, noch nicht einmal vorübergehend.

Akt 4 – wie Ungläubige

Sie verhandelt mit der Welt, damit sie alles bekommt, was sie will. Sie macht dies ohne Wenn und Aber, denn sie weiß, was ihr zusteht. Wir sind vom Himmel gefallen und in ihrer zärtlichen Umarmung gelandet. Sie gibt uns ihre Liebe, damit wir mit ihr leben können. Aus diesem Grund sind wir Ungläubige, die erfundene Gottheiten kreieren. Aus diesem Grund können wir kein Paradies erschaffen. Aus diesem Grund sind wir frei. Alles, was wir berühren, wird sterben. So ist es gut. So ist es richtig. Sie ist die einzige Gottheit, die ich benötige. Weil ich sie anfassen kann. Ihr wundervoller Name ist Erde, Terra, Gaia, Mutter, Schwester, Tochter, Freundin, Partnerin, Gefährtin, und sie ist die unglaublichste Frau, die mich jemals geliebt hat.


bereit

für B.

Ich habe sie geliebt, nicht wahr, stelle ich die Frage an mich selbst. Aber mehr noch als sie habe ich die Tatsache geliebt, dass es Liebe war. Ich habe genossen, wie es mich einhüllt. Ich habe vergöttert, dass es das erste Mal war, dass es rein war. Ich habe alles geliebt. Und ich habe nichts geliebt. Mich selbst schon gar nicht, antworte ich mir selbst.

Ist mir nie in den Sinn gekommen, dass ich mich selbst belüge? Dass ich zufrieden war, einsam zu sein aber niemals allein? Auch zu zweit kann man einsam sein. Wenn man nichts tut beispielsweise. Wenn man nie etwas tut. Ich kann das wertvollste Ding stehen lassen, niemals anrühren; aus Angst, es könnte kaputt gehen – aber was hätte es dann für einen Zweck, wenn es nur verstaubt? Ich habe gesagt, ich wäre bereit, und niemals war ich tatsächlich bereit.

Bereit sein heißt, sich der Angst zu stellen. Angst haben ist keine Schwäche, vor ihr wegzulaufen schon. Weglaufen von allen, die mir etwas bedeuten. Von allem, das mir wichtig ist. Ich habe mich in das tiefste Loch gelegt und mich davon überzeugt, dass das nicht der Grund ist, warum die Sterne nicht mehr funkeln. Aber ich glaube daran, dass Hoffnung existiert. Begraben unter dem ganzen Rest, versteckt unter dem ganzen Rest, wachsend. Wenn die Erinnerung verblasst, sorge ich dafür, dass ich sie ersetze, Möglichkeiten ergreifend, die Hoffnung umarmend. Und all die Worte, die ich nicht aussprechen kann, werden unwichtig. Warum haben wir jemals anders gelebt?

All die Ereignisse, die wir erlebt haben.

All die Gegenstände, die wir gesammelt haben.

All die Orte, die wir besucht haben.

All die Köstlichkeiten, die wir zubereitet haben.

All die Medien, die wir konsumiert haben.

All die Abenteuer, die wir gespielt haben.

All die Zeit, die wir verbracht haben.

All die Welten, die wir gebaut haben.

All die Geschichten, die wir erzählt haben.

Ich habe es wirklich geliebt. Alles davon. Ob du mir glaubst, weiß ich nicht, doch es ist wahr. Aber du hättest nicht geschafft, mich zu verändern. Nicht geschafft, mich dazu zu bringen, bereit zu sein. Bereit, das Leben so zu nehmen, wie es ist. Dieser schwierigsten aller Aufgaben warst du nicht gewachsen, und ich kann es dir nicht verübeln. Nur ich alleine hätte es geschafft. Und weißt du was?

Ich habe es geschafft.

Alleine.


verschieden

für S.

Weißt du noch, als du mich zum Lachen gebracht hast? Natürlich weißt du das; es scheint ja fast jeden Tag zu passieren. Und im Gegenzug denke ich für dich mit – versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen.

Wir sind uns ähnlich und sind doch verschieden. Du hast starke Schultern – auf meinen lastet die Welt.

In einem Wahn ewiger Sorgen versuche ich, das ganze Leben zu analysieren und erfolglos durchzuplanen. Du tust einfach, was du tust. Bei dir gibt es kein ermüdendes Überlegen, kein dummes Zweifeln, kein ängstliches Warten, und falls doch, dann versteckst du es gut. Du holst dir, was du willst.

Manchmal wünsche ich mir, so wie du Entscheidungen fällen zu können. Nicht mit dem Kopf, sondern aus dem Bauch heraus. Auf meine Weise kann ich mich selbst natürlich besser vor Fehlern bewahren, doch das Denken bewahrt mich auch davor zu leben. Spontan zu sein, das fehlt mir.

Bei beider unserer Lebensweisen mag es Vorteile und Nachteile geben. Emotional an alle Menschen herantreten zu können, macht dich zu einer aufgeschlossenen Person, aber die Götter mögen den armen Tropf schützen, der deinen Respekt verspielt. Von mir kann ich behaupten, selbst in den dunkelsten Zeiten für jeden dahergelaufenen Sonderling eine verständnisvolle Seele zu sein, doch andererseits fällt es mir auch in den fröhlichsten Momenten schwer, mein Glück mit Freunden ganz auszukosten. So etwas wie ein Mittelweg wäre wohl optimal.

Ist es nicht idiotisch, wie wir unser Leben leben? Du bringst ein Lächeln auf und gehst offen durch die Welt, obwohl du in deiner Vergangenheit viel Schlimmes hast erleben müssen. Ich hingegen bin in meiner Kindheit stets gut behütet gewesen, und doch trage ich so viel Gram in mir. Während du ununterbrochen sprichst, ist mein Mund mit Blut gefüllt, von dem Versuch, kein Wort zu sagen. Wählen wir uns als Gegenüber, um unsere Stärken und Schwächen auszugleichen?

Ich habe mir eine Festung aus Prinzipien gebaut, einsam und öde, ein Gewirr aus Antworten zu allen möglichen Fragen, von denen die meisten keine Bedeutung haben. Wie viel Kraft ich sinnlos in diese Szenarien stecke. Es sind Geschichten, die außerhalb meines Kopfes nicht existieren. Den perfekten Weg will ich finden, obwohl ich mir schon längst habe eingestehen müssen, dass nichts je wirklich perfekt sein kann.

Du springst ins Ungewisse, tauchst ein in die Freiheit, so anmutig wie ein Vogel, der niemals müde wird zu fliegen. Kannst du mir nicht beibringen, unbeschwert zu sein? Weder an gestern noch an morgen zu denken? Kannst du mir zeigen, wie du das machst? Wie du trotz aller Probleme grinsend und kichernd durch das Leben gehst?

Heute will ich nur in Ruhe neben dir sitzen; dir beim Singen zuhören, dir beim Zeichnen zusehen; irgendeinen Blödsinn mit dir machen. Weil ich mich bei dir sicher fühle. Heute will ich einmal nicht sprechen müssen und einfach nur weinen können. Und wenn es nur fünf Minuten sind.

Wenn nicht; auch egal. Hauptsache, du bist da.


Nachbarland-Schwesterherz

für C.

Blut ist dicker als Wasser, sagen sie. Blödsinn, sage ich!

Taten sind wichtiger als Worte, Geist siegt über Körper, Feder bezwingt Klinge, meine Entscheidung triumphiert über jegliches Schicksal; und ist unsere Liebe zueinander nicht Beweis genug?

Unter hundert Millionen Menschen haben wir uns gefunden, wir beide. Tauschten uns aus, suchten eine Aufgabe, teilten ein Ziel, und als wir nichts erreichen konnten, gaben wir uns trotzdem nicht auf.

Du bist immer da für mich, wenn ich dich brauche. Hilfst mir, so gut es eben geht. Hast mehr für mich getan als etliche, welche sich meine Verwandten schimpfen. Auf eine Antwort muss ich niemals warten.

Meine erste Anlaufstelle, wenn ich etwas analysiert haben will, das mein Gehirn nicht auf die Reihe bringt. Wenn ich etwas bestätigt haben will, das ich schon längst weiß. Wenn ich etwas geordnet haben will, das in mir herumkreist. Und auch wenn einige Themen schwieriger sind als andere, zögerst du nie, Ratschläge zu geben.

Ich lade dir meine Sorgen und Ängste auf. Und ich mache es gerne. Weil ich weiß, dass sie dich nicht belasten, sondern dass du sie in angenehmere Dinge verwandelst. Denn bei dir bin ich sicher.

Selbst wenn es einmal ruhig wird, kann ich damit rechnen, dass du bald wieder in mein Leben platzt. Dasselbe kannst du von mir erwarten, denn ich habe es schon einmal getan. Wenn wir uns verlieren, finden wir uns wieder. So einfach ist das.

Wir wissen, wie wir sind. Durchgeknallt und genial, denn Genie und Wahnsinn geben sich die Hand, meine ich. Und auch wenn wir uns nicht die Hand geben können, schlafen wir unter demselben Sternenhimmel ein. Vielleicht können wir uns ja hin und wieder in unseren Träumen treffen.

Gib ein Thema an. Laber mich voll mit beeindruckenden Spielen und mittelalterlicher Geschichte und klassischer Musik und erfundenen Charakteren, so viel du willst. Ob wir in Politik untergehen oder in Soziologie aufgehen, völlig egal. Unterhalte mich oder langweile mich zu Tode, es ist mir gleich. Mach, was du machen musst.

Ich bin; ich bleibe.

Weil das Familie ist.

Und du mein Schwesterherz.


es ist wie es ist

für S.

Vielleicht ist es, wie es ist.

Es bringt mich um, das nicht zu wissen, aber ich habe vergessen, welche Farbe ihre Augen haben, und auch ihre Narben oder wie sie sie bekommen hat. Wenn die Zeit beginnt, ihre Klauen in mich zu rammen, werden Tränen fließen, durch Falten eines alternden Antlitzes, welches Stück für Stück verblasst. Es gibt keinen Weg, es umzukehren. Und es gibt keine bessere Zeit als die Gegenwart, um diese noch verbleibenden Sekunden zu genießen. Denn die Tage drücken mit vollem Gewicht, und dass sie vor niemandem Halt machen, werde auch ich verstehen, wenn sich zwischen meinen Fingern plötzlich Staub findet.

So viele Gesichter erinnern mich an sie. All die Menschen, die mich bewegt haben aber nicht geblieben sind. All die Freundschaften, die im Sand verlaufen sind. Aber sie war eine Person, die ich als Familie bezeichnet habe. Seelenverwandt haben wir das genannt. Wir haben sehr wohl gewusst, dass wir einfach grundverschieden sind. Gegenseitig geholfen haben wir uns, voneinander gelernt haben wir. Mit nichts würde ich das tauschen wollen. Trotzdem habe ich mir manchmal gewünscht, wir wären uns ähnlicher gewesen. Denn ich habe mir eingeredet, dass es etwas geändert hätte. Obwohl ich es gar nicht hätte ändern wollen. Aus welchem Grund auch?

Ich mehr wie du? Lächerlich!

Du mehr wie ich? Langweilig!

In meinen besten Momenten liebe ich mich selbst. Welch grandioses Gefühl, alleine zu sein, ohne Einsamkeit zu verspüren. Und in meinen schlimmsten Momenten hasse ich mich.

Vielleicht bin ich zu sensibel – aber was ist falsch daran, zu erklären wie ich mich fühle?

Vielleicht bin ich zu dumm – aber was ist falsch daran, etwas wieder und wieder zu versuchen?

Vielleicht bin ich zu ruhig – aber was ist falsch daran, dem Chaos entfliehen zu wollen?

Vielleicht bin ich zu wählerisch – aber was ist falsch daran, sich für eine Sache zu entscheiden?

Vielleicht bin ich zu zärtlich – aber was ist falsch daran, sich hin und wieder verletzlich zu zeigen?

Vielleicht bin ich zu ernst – aber was ist falsch daran, über Situationen gründlich nachzudenken?

Vielleicht bin ich zu schwach – aber was ist falsch daran, ausweglosen Kämpfen aus dem Weg zu gehen?

Vielleicht bin ich zu müde – aber was ist falsch daran, auf ein kleines bisschen Glück zu hoffen?

Was ich noch weiß, ist, dass ihre Stimme eine Mischung aus zerbrochenem Glas und süßem Honig war.

Bei vielen zwischenmenschlichen Beziehungen habe ich etwas zu retten versucht, was nicht gerettet werden wollte. Niemand schien die Antwort auf meine Fragen zu sein. Aber eine Person hole ich mir zurück. Eine, die ich als Familie bezeichne.

Antworten suche ich mir selbst. Und falls ich sie nicht finde, kommen sie zu mir, wenn Tränen durch Falten meines alternden Antlitzes fließen, wenn sich zwischen meinen Fingern plötzlich Staub findet, wenn alle meine Narben vergessen haben.

Du bist geblieben. Und wir können weitermachen, unsere Leben zu bereichern. Oder der Welt lächelnd den Mittelfinger zeigen. Wie auch immer, wir beide lassen nicht locker.

Du sollst nicht die Antwort auf all meine Fragen sein?

Vielleicht nicht.


Sonnenschein

für R.

Ich nenne dich Sonnenschein, weil du genau das bist – mein Sonnenschein.

Es ist kein spöttischer Euphemismus und auch kein einfallsloser Kosename, sondern eine Tatsache, da du genauso wärmend und wohltuend bist. Und es macht Spaß, dich so zu nennen. Vielleicht ist das meine Art, Dankbarkeit zu zeigen.

Ich war kaputt, und du hast mich repariert. Als ich nach all den selbstzerstörerischen Jahren wie ein verletztes Tier aus meinem Versteck gekrochen bin, bist du die erste Person gewesen, die mich wieder wie einen Menschen behandelt hat. Aus diesem Grund bist du eine gewisse Zeit lang wie ein sicherer Hafen gewesen, den ich anzusteuern versucht habe. Zumindest hat mich dein Leuchtturm davor bewahrt, gegen eines der vielen gefährlichen Hindernisse zu stoßen. Stürmisch genug ist es allemal gewesen.

Dich als Powerfrau zu bezeichnen, wird dir gerecht. Für dich ist kein Weg zu weit, kein Hang zu steil, keine Diskussion zu turbulent, keine Aufgabe zu schwierig. So etwas wie eine Heldin bist du für mich gewesen. Schritt für Schritt hast du mich wieder auf den richtigen Pfad geführt. Vielleicht hätte ich ohne dich niemals den Versuch gewagt, meine Flügel auszubreiten. Ohne dich wäre ich wahrscheinlich an einem ganz anderen Punkt gelandet. Und ohne dich hätte ich vermutlich niemals jene wunderbaren Menschen gefunden, welche nun einen wichtigen Platz in meinem Leben eingenommen haben.

Erst nachdem ich dich näher kennengelernt habe, habe ich feststellen müssen, dass du nicht fehlerlos bist. Ganz im Gegenteil sogar. Wie alle anderen machst auch du Fehler, die aus Unsicherheit und Überstürzung geboren sind. Aber ich denke, das macht eine Heldin erst aus. Wenn sie trotz ihrer Fehler richtig handelt. Oder es zumindest versucht. Wenn sie jeden Tag, egal wie mies der vorherige auch gewesen sein mag, mit guter Laune beginnt. Wenn sie allen Leuten, egal wie mürrisch sie auch sein mögen, ihre Hilfe anbietet. Wenn sie jemandem wie mir mit Respekt begegnet.

Alleine schon deine Gegenwart lässt die Menschen lachen. Leuchtend rotes Haar, das sanft geschwungen deine Schultern umspielt. Wild verstreute Sonnenflecken, die deine erfrischenden Augen betonen. Du bist eine der gütigsten und stärksten und schlauesten und schönsten Frauen, die ich jemals kennengelernt habe. Tatsächlich wie die Sonne, so zierlich in ihrer Gestalt, so edel in ihrer Erscheinung, so anmutig in ihrer Bewegung, so sinnlich in ihrem Dasein.

Muse für die Kunst, das bist du, das Leben selbst imitierend. Und doch wirkst du so ernst auf den Werken, als wärst du es leid, für jeden Menschen ständig den Sonnenschein zu spielen. Nicht jedes Grinsen von dir wirkt echt, manchmal sind sie so falsch, so erzwungen, so schmerzlich. Ich kann es verstehen. Es muss schwierig sein. Schwierig, eine Heldin zu sein. Umso mehr freue ich mich, wenn du wirklich lächelst. Das müsste gefeiert werden, jedes Mal aufs Neue.

Ich nenne dich Sonnenschein, weil du genau das sein willst – ein Sonnenschein.


mehr als du denkst

für S.

Als der Mond heute aufgestiegen ist, kreisrund, in aller Pracht, hat er in der Farbe ihres Haars geleuchtet. Sie kann nicht wissen, wie schön sie ist, wie wundervoll sie trotz oder vielleicht sogar wegen einiger Ungereimtheiten auf mich wirkt.

Wenn sie die Gänge entlangwandert, als hätte sie die Gleichgültigkeit der gesamten Welt gepachtet, während ihre Hüften wie ein leises Pendel schwingen, bin ich ganz in ihrer Magie gefangen. Wie sie spricht, wie sie denkt, wie sie unbeeindruckt döst, während alles um sie herum in Chaos versinkt. Hinter einer Fassade aus schützenden Farben steckt ein wirrer aber genialer Verstand, welcher es vermag, in ungeahnte Sphären zu fliehen. Ihre erquickende Energie ist rasch dahin, aber Gemütlichkeit wird in dieser Welt ohnehin vermisst. Ob sie unsicher ist oder einfach nur für sich bleiben will, ist kaum zu sagen. Auch der Mond bleibt in sicherer Distanz und vollbringt dennoch Wunder, indem er uns Menschen beeinflusst.

Nichts ist jemals so klar gewesen. Wer nicht glaubt, dass so etwas wie Seelenverwandtschaft existiert, kann mich nicht verstehen. Es ist beinahe schon erschreckend, wie einfach man sich in einem anderen Menschen verlieren kann, den man gerade erst kennengelernt hat. Als hätte man bereits das ganze Leben an dessen Seite verbracht. Man fühlt sich schlagartig wohl und kennt keine Ängste mehr. An dieser Stelle kann es weder Urteil noch Strafe geben. Doch leider wird ständig versucht, jede erdenkliche Eigenart wissenschaftlich zu erklären. Mir ist es völlig egal, ob wir uns aus einer anderen Realität kennen oder ob unsere Körper nur zufällig dieselben chemischen Substanzen produzieren. Es gibt nichts Unwichtigeres als die Frage, warum unsere Herzen im selben Takt schlagen. Manchmal müssen die Gedanken auch einmal ruhen. Ich will keine Erklärung, ich will es einfach nur genießen.

Wenn ich dein Antlitz beobachte, kommen mir strahlendes Blau und glitzerndes Grün entgegen, und dieses Gefühl ist mit nichts zu vergleichen. Ich habe von dir geträumt, einige Tage bevor wir uns das erste Mal getroffen haben. Du zerstörst alle meine Zweifel und lässt mein rosafarbenes Herz leuchten! Wie könnte ich jemals akzeptieren, nicht an deiner Seite zu sein? Aber du bist nicht, was ich brauche. Und es scheint, als gehörten wir nicht zusammen. Wir verdienen beide etwas anderes und werden uns gegenseitig nicht gerecht.

Ein letztes Wort noch. Du hast mir sehr geholfen. Dank dir weiß ich nun, dass es kein perfektes Szenario gibt. Dass ich Liebe falsch definiert habe. Ich will eine Frau nicht lieben, weil sie in mir Erinnerungen an die Vergangenheit weckt. Ich will eine Frau nicht lieben, weil sie in mir Hoffnungen auf die Zukunft weckt. Was ich will, ist, mich in dieselbe Frau jeden Tag neu zu verlieben. So wie die Sterne jede Nacht von neuem erscheinen. Und das bedeutet es, glücklich zu sein.

Ich will eine Frau, mit der es sich so anfühlt wie mit dir. Nur anders.


alles in Butter

für K.

Alles, was gut an mir ist, begann mit dir.

Du warst das Erste, das ich gehört habe, als ich gekommen bin; und es wäre angemessen, wenn ich das Letzte bin, das du siehst, wenn du gehst.

Das Leben war nicht immer fair zu dir. In einem strengen Haus hast du gelernt, den Teller stets leer zu essen, und aufgewärmte Ziegelsteine im Bett haben verhindert, dass du im Schlaf krank wirst. Wegen dummer Schwärmereien hast du deine Karriere vernachlässigt, nur um zu entdecken, dass deine Talente übergangen werden, wenn du dich nicht selbst um sie kümmerst. In den Zeiten der Not hast du deinen Nachwuchs mit dir herumgeschleppt, durch das Chaos der Welt, weil niemand sonst darauf hätte achten können. Ständig hast du zurückgesteckt.

Dein großer Traum von der perfekten Familie ist wie eine Seifenblase zerplatzt. Alles, was du retten hast können, waren deine Kinder, und du hast so viel Liebe wie möglich in sie gesteckt. Und es bricht mir das Herz, dass keines von ihnen dir annähernd so viel Liebe zurückgeben kann, wie du verdient hättest.

Wenn etwas schief gegangen ist, hast du immer gefragt, was du bloß falsch gemacht hast. Aber hast du dir nie überlegt, dass Dinge auch schiefgehen können, ohne dass man etwas falsch macht? Du kannst alles richtig machen und trotzdem versagen. Du kannst der wohlgeformteste saftigste gesündeste Apfel von allen sein, aber es gibt eben Menschen, die einfach keine Äpfel mögen.

Indes war das Konzept Mensch immer das Wichtigste für dich. Du hast nie gezögert, Mitgefühl zu zeigen. Selbst den Leuten, bei denen du Abneigung verspürt hast, hast du geholfen. Wenn es nötig und möglich war, hast du zusätzlichen Aufwand betrieben, um eine Person oder eine Idee zu unterstützen, einfach weil du es so wolltest. Es ist tragisch, dass der Großteil der Welt deine Qualitäten nicht erkennt, doch jene, die es tun, können sich glücklich schätzen. Ich glaube nicht, dass die Bezeichnung Engel auf jemand anderes besser zutreffen könnte.

Schließlich warst du es leid, nur für andere zu leben, und nun lebst du für dich selbst. Deine eingerissenen Mauern hast du Stück für Stück wieder aufgebaut, und du hast sichergestellt, dass diesmal Türen vorhanden sind. Du hast nachgeholt, was nachzuholen war. Dass du dir selbst plötzlich das Wichtigste warst, ist das Egoistischste und Beste, das du je getan hast.

Jetzt ist die Zeit, in der du in aller Ruhe ein Buch lesen kannst, in der du deine Wohnung nach deinem Sinn einrichten kannst, in der du so viel Butter wie du willst auf dein Brot schmieren kannst. Jetzt ist die Zeit zum Genießen da.

Es ist nicht perfekt, aber es ist gut so.

Und dasselbe (aber vielleicht ein bisschen besser) wünsche ich mir für mich.